(Artikel vom 07.11.2024) In der politischen Kommunikation, insbesondere in Krisenzeiten, ist Timing ein entscheidender Faktor. Hier geht es erstens darum, die richtigen Worte zu finden und zweitens auch den richtigen Moment zu wählen, um diese zu kommunizieren. Dies zeigt sich aktuell in der Debatte um die angekündigte Vertrauensfrage des deutschen Bundeskanzlers, die für Januar in Aussicht gestellt wurde.
Der Begriff "Vertrauensfrage" ruft eine Assoziation mit einer dringlichen, unmittelbaren Klärung hervor. In der Regel entsteht die Notwendigkeit für eine solche Frage aus einer akuten Krise oder einem Vertrauensverlust, der zeitnah adressiert werden muss. In einer persönlichen Beziehung ist das beispielsweise der Moment, in dem ein Vertrauensbruch eingestanden wird - und eine Klärung erfolgt üblicherweise sofort und nicht erst nach Wochen.
Überträgt man dieses Prinzip auf politische Entscheidungsprozesse, wird deutlich: Eine Vertrauensfrage, die erst in zweieinhalb Monaten zur Abstimmung kommt, birgt das Risiko, die Glaubwürdigkeit der handelnden Akteure in Frage zu stellen. Glaubwürdige Kommunikation in einem Krisenfall zeichnet sich dadurch aus, dass sie unmittelbar und transparent auf aktuelle Entwicklungen reagiert.
Taktische Überlegungen - wichtiger als klare, zeitnahe Entscheidungen?
Das Aufschieben der Vertrauensfrage hingegen suggeriert der Öffentlichkeit, dass die Krise entweder nicht ernst genug genommen wird oder taktische Überlegungen wichtiger erscheinen als eine klare, zeitnahe Entscheidung. Hier entsteht eine Diskrepanz zwischen dem Anspruch, Vertrauen zu schaffen und der Art, wie diese Vertrauensfrage gestellt wird.
In der Kommunikationsberatung - sei es in Unternehmen oder bei Behörden - wird Krisenkommunikation daher als Disziplin verstanden, die nicht nur die Inhalte, sondern auch den Kontext und das Timing einer Botschaft im Blick haben muss. Gerade in der Politik erwarten die Bürgerinnen und Bürger, dass kritische Themen so angegangen werden, dass die Verantwortlichen schnell und entschlossen handeln. Die Kommunikation in Krisenzeiten erfordert eine besonders sorgfältige Planung, in der Glaubwürdigkeit und Transparenz eine zentrale Rolle spielen.
Signale nicht auf die lange Bank schieben
In der aktuellen Situation ist es aus kommunikationsstrategischer Sicht ratsam, die Beweggründe und das Verfahren klarer und transparenter darzulegen. Die Frage, ob eine Regierung weiterhin das Vertrauen des Parlaments genießt, ist schließlich keine rein formelle Frage, sondern ein Signal an die gesamte Bevölkerung. Und dieses Signal sollte nicht auf die lange Bank geschoben werden.
Eine Anmerkung in eigener Sache: Als Schweizer Experte für glaubwürdige Kommunikation fallen mir - insbesondere durch die Perspektive von außen - einige Dinge deutlich(er) auf. Ist es angemessen oder eher anmaßend, mich aus dem Ausland in deutsche, politische Angelegenheit einzumischen? Um das zu beurteilen, muss klar sein: Es geht hier nicht um eine politische Einschätzung der Lage und eine Beurteilung der aktuellen Ampelregierung. Vielmehr als Berater von Behörden und Unternehmen rund um das Thema glaubwürdige Kommunikation darum, aufmerksam zu machen: Irgendetwas liegt hier momentan nicht ganz auf der Ideallinie...
Stefan Häseli ist Experte für glaubwürdige Kommunikation und Auftrittskompetenz, Keynote-Speaker, Radio-Moderator und Autor mehrerer Bücher. Als ausgebildeter Schauspieler mit jahrelanger Bühnenerfahrung schreibt u.a. ganze Comedy-Abendprogramme selbst. Dazu kommen Engagements in Kinofilmen, TV-Serien, TV-Werbespots und Schulungsfilmen. Er betreibt ein Trainingsunternehmen in der Schweiz. Häseli ist mehrfach international ausgezeichneter Redner und Trainer. Die Kommunikation in ihren unterschiedlichen Welten und die Details in der Sprache faszinieren ihn und prägten seinen beruflichen Werdegang. Er begeistert in seinen Fachartikeln und Kolumnen mit feinsinnigem Humor.
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