"Ohne Ziel stimmt jede Richtung"

Politik, Recht, Gesellschaft | FDP-Co-Kreisvorsitzende
"Ohne Ziel stimmt jede Richtung"ERHARTING - Mit seinem aktuellen Buch "Deutschland in der Krise" gibt Albrecht Broemme (72) einen eindringlichen Überblick über den Zustand des deutschen Bevölkerungsschutzes. Der langjährige Präsident und heutige Ehrenpräsident des Technischen Hilfswerks (THW) zeigte in seinem Vortrag auf, warum er seit Jahrzehnten zu den prägenden Stimmen des deutschen Zivil- und Katastrophenschutzes zählt. "Wir müssen uns daran gewöhnen, dass Krisen nicht Ausnahme, sondern Teil unserer Gegenwart sind. Ohne Ziel stimmt jede Richtung der Planung", sagte Broemme am Freitagabend im Landgasthof Pauliwirt in Erharting (Landkreis Mühldorf).
Broemme analysierte sachlich und zugleich mit deutlicher Klarheit, wo Deutschland im Bereich der Krisenfestigkeit steht. Erst im weiteren Verlauf des Abends stellte er sein Buch ausführlicher vor, das seine Thesen vertieft und strukturelle Schwachstellen im Bevölkerungsschutz detailliert beleuchtet.
Als früherer Leiter der Berliner Feuerwehr (1992-2006) und Präsident des THW (2006-2019) gilt Broemme als einer der erfahrensten Praktiker im Bereich Sicherheit und Krisenmanagement. Seit 2020 ist er Ehrenpräsident der Bundesanstalt THW - eine Auszeichnung, die seine jahrzehntelange Expertise unterstreicht.
Im Mittelpunkt seines Vortrags stand die Frage, warum Deutschland im Krisenfall zu langsam, zu zögerlich und oft unkoordiniert agiere. Deutschland habe sich lange auf stabilen Normalbetrieb verlassen und die eigene Krisenfestigkeit überschätzt. Resilienz entstehe in den Kommunen, bei Einsatzkräften vor Ort und im Ehrenamt - "nicht in Berlin". Bürokratische Hürden verzögerten Entscheidungen unnötig; häufig scheitere die Umsetzung nicht am Wissen, sondern an zu komplexen Strukturen. Handlungssicherheit entstehe nur durch "regelmäßiges, praxisnahes Üben". Gleichzeitig brauche Führung im Krisenfall Mut: "Entscheidungen müssen auch dann getroffen werden, wenn sie unbequem sind."
Besonders wies Broemme auf den oft unterschätzten Punkt der tatsächlichen Handlungsfähigkeit der Helfer hin. Im Krisenfall müsse klar sein, wer tatsächlich einsatzbereit sei. Viele Ehrenamtliche engagierten sich gleichzeitig in mehreren Blaulichtorganisationen - bei Feuerwehr, Rotem Kreuz, THW oder der Bundeswehr. Diese Überschneidungen führten vor Ort zu Engpässen, die in zahlreichen Krisenplänen bislang kaum berücksichtigt würden.
Ein weiteres zentrales Thema war die mangelhafte Schutzraum-Infrastruktur in Deutschland. Früher verfügte die Bundesrepublik über Bunkerplätze für rund drei Prozent der Bevölkerung - diese existieren heute jedoch nicht mehr in nutzbarem Zustand. Damit liegt Deutschland im internationalen Vergleich weit zurück: In der Schweiz stehen Schutzräume für etwa 80 Prozent der Bevölkerung bereit, in Finnland sogar für 120 Prozent. Als sofort umsetzbare Maßnahme schlägt Broemme eine "Bunker-App" vor, die im Krisenfall den Weg zu geeigneten Schutzorten wie Tiefgaragen, U-Bahnen oder privaten Kellern weisen könnte. Angesichts aktueller Bedrohungsanalysen, die ein mögliches russisches Angriffsszenario um das Jahr 2029 skizzieren, zeigte sich Broemme ernüchtert: "Die Behörden hätten nicht einmal angefangen zu planen."
Organisiert wurde der Vortrag von Sandra Bubendorfer-Licht, ehemalige FDP-Bundestagsabgeordnete mit Schwerpunkt Bevölkerungsschutz und FDP-Kreisvorsitzende in Mühldorf. "Bevölkerungsschutz ist eine Daueraufgabe", betonte sie. "Wir müssen Strukturen stärken, bevor die Krise kommt - nicht erst danach." Der fehlende Konsens zwischen Bund und Ländern führe weiterhin zu unzureichenden Ergebnissen im zivil-militärischen Bevölkerungsschutz.
Am Ende des Abends blieb eine klare Botschaft: Krisen werden nicht seltener, doch ihre Auswirkungen lassen sich begrenzen, wenn Vorsorge, Strukturstärkung und Verantwortungsbewusstsein ernst genommen werden. Zahlreiche Ehrenamtliche aus Feuerwehr, BRK, Malteser Hilfsdienst und THW nutzten die Gelegenheit, sich im Anschluss mit Broemme fachlich auszutauschen.

Bildtext:
Diskutierten in Erharting über Stärken und Schwächen im Krisenmanagement (v.l.) Thomas Ziegler, Charly Blaschko (beide Malteser) , die ehemalige FDP-Bundestagsabgeordnete Sandra Bubendorfer-Licht, Stephan Birkl (THW), Sybille Sprung, Patrick Edel (beide BRK) und der Krisenexperte Albrecht Broemme. (Foto: privat)

(Die Bildrechte liegen bei dem Verfasser der Mitteilung.) (Bildquelle: )

01. Dezember 2025 | ID: 29293 | Artikel löschen
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Sandra Bubendorfer-Licht gehörte von 2019 bis 2025 dem Deutschen Bundestag an und vertrat den Wahlkreis Mühldorf-Altötting. Die gelernte Dolmetscherin für Italienisch und Englisch engagierte sich im Ausschuss für Inneres und Heimat. Zudem ist sie Co-Kreisvorsitzende der FDP Mühldorf, Kreisrätin im Kreistag Mühldorf am Inn und Gemeinderätin in Ampfing.
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