(Artikel vom 12.09.2024) Autor: Vishal Dakhole, Vice President Life Sciences in Deutschland und Nordeuropa bei IDA Ireland
Die biopharmazeutische Industrie hat im Jahr 2024 ein bedeutendes Wachstum und einen Wandel erlebt, der durch verstärkte Fusionen und Übernahmen, umfangreiche Kapitalinvestitionen und bahnbrechende Forschung gekennzeichnet ist. Im Gegensatz zu vielen anderen Sektoren, die von der globalen wirtschaftlichen Instabilität betroffen sind, hat sich die Biowissenschaftsbranche als widerstandsfähig erwiesen und setzt auf fortschrittliche Technologien und innovative Pipelines. Zu den wichtigsten Entwicklungen gehören Fortschritte in der durch künstliche Intelligenz (KI) gesteuerten Arzneimittelentdeckung, Zell- und Gentherapien und Präzisions-Genom-Editierung. Mit diesen Innovationen werden wichtige Herausforderungen im Gesundheitswesen angegangen und die Branche vorangebracht.
Neue Modalitäten:
Antikörper-basierte Therapeutika
Monoklonale Antikörper (mAbs) sind seit langem ein Eckpfeiler der biopharmazeutischen Therapien, die auf eine Reihe von Krankheiten von Infektionskrankheiten bis hin zu Krebs abzielen. Während sich das traditionelle Herstellungsverfahren für mAbs weiter entwickelt, mit Verbesserungen bei Zelllinien und Technologien zur Herstellung gezielter therapeutischer Antikörper durch Reinigung, verlagert sich der Schwerpunkt auf komplexere synthetisch hergestellte Moleküle wie bispezifische und multispezifische Antikörper und Fc-Fusionsproteine. Trotz des wachsenden Interesses an diesen komplexen therapeutischen Produkten werden mAbs den Markt weiterhin dominieren, bis die technologischen und operativen Herausforderungen gelöst sind.
Es werden beträchtliche Investitionen getätigt, um die Produktionskapazitäten für mAbs und andere neuartige Produkte zu erweitern. So investiert Eli Lilly beispielsweise 1 Mrd. USD in Irland, um eine neue Produktionsstätte für biologische Arzneimittel zu errichten, die bis 2026 betriebsbereit sein soll. In ähnlicher Weise baut Astellas Pharma eine Anlage, um die Produktion innovativer Antikörper-Medikamente zu beschleunigen, und Zoetis erweitert seine Produktionskapazitäten für Tierarzneimittel in Irland.
Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADCs)
ADCs stellen eine bahnbrechende Entwicklung in der Krebstherapie dar, indem sie die Spezifität von Antikörpern mit der Wirksamkeit von zytotoxischen Medikamenten kombinieren. Diese komplexen Strukturen, die einen Antikörper, einen zytotoxischen Wirkstoff und einen chemischen Linker enthalten, stellen erhebliche Herausforderungen bei der Herstellung dar. Trotz dieser Herausforderungen bieten ADCs ein immenses Potenzial, insbesondere in der Onkologie, und werden von großen Biopharmaunternehmen aktiv entwickelt.
Bis Ende 2023 wurden 15 ADCs von der US FDA zugelassen, und mehr als 150 Kandidaten befinden sich in der Entwicklung, darunter auch hochkarätige Kandidaten im Spätstadium. Der ADC-Markt soll bis 2028 ein Volumen von 30 Mrd. USD erreichen, was durch große Lizenzvereinbarungen und strategische Kooperationen, wie z. B. das Milliarden-Dollar-Abkommen zwischen MSD und Daiichi Sankyo, vorangetrieben wird. Die Übernahme von Seagen durch Pfizer für 43 Milliarden Dollar und die Übernahme von ImmunoGen durch AbbVie für 10 Milliarden Dollar unterstreichen das wachsende Interesse an dieser Modalität.
Der komplexe Herstellungsprozess für ADCs, bei dem komplexe Konjugate von Biologika mit Präzision gehandhabt werden müssen, stellt ein Hindernis für den Wettbewerb mit Biosimilars dar. Diese Komplexität bietet den Innovatoren Flexibilität bei der Preisgestaltung und fördert die weitere Zusammenarbeit mit großen Pharmaunternehmen. Die zehn weltweit führenden Biopharmaunternehmen haben mindestens einen ADC-Kandidaten in der Entwicklung, wobei die meisten auf Krebsindikationen abzielen und einige andere auf andere Therapiebereiche, z. B. Arthritis, Morbus Crohn, usw. Einrichtungen wie der Standort Manorhamilton von AbbVie in Irland und die neue Forschungs- und Entwicklungseinrichtung von BeiGene in New Jersey stehen an der Spitze der ADC-Entwicklung und -Produktion.
Zell- und Gentherapie
Der Sektor der Zell- und Gentherapie (CGT) erfährt ein beispielloses Wachstum und bietet neue Behandlungsmöglichkeiten für seltene Krankheiten. Die Zulassung der ersten CRISPR-basierten Gene-Editing-Therapie, Casgevy, für Sichelzellenanämie und Beta-Thalassämie ist ein Beispiel für diesen Fortschritt. Bis Anfang 2024 wurden mehr als 36 Gentherapien und 74 Zelltherapien zugelassen, und viele weitere befinden sich in der Entwicklung.
CGT-Technologien ermöglichen sowohl personalisierte, patientenspezifische autologe Behandlungen als auch allogene Optionen von der Stange. Die meisten Gentherapien verwenden virale Vektoren wie Adeno-assoziierte Viren (AAV), Adenoviren oder Lentiviren für die Übertragung. Mit der zunehmenden Zahl von CGT-Zulassungen sieht sich die Branche jedoch mit Herausforderungen konfrontiert, die mit der kommerziellen Skalierbarkeit, dem Produktions-Scaling-up und der Entscheidung für eine interne oder externe Herstellung zusammenhängen.
Der Herstellungsprozess von CGTs ist komplex und erfordert spezielle Fähigkeiten und erhebliche Investitionen. CDMOs (Contract Development and Manufacturing Organizations) spielen in diesem Umfeld eine entscheidende Rolle, da sie Unternehmen, die nicht über die notwendige Infrastruktur verfügen, umfassende Dienstleistungen anbieten. Es wird erwartet, dass der CGT-Markt zwischen 2024 und 2033 mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 18 % wächst und bis 2033 95 Milliarden US-Dollar erreicht.
Unternehmen wie MeiraGTx investieren in flexible und skalierbare Produktionsanlagen für die Gentherapie, um die Herausforderungen der Lieferkette zu bewältigen. Darüber hinaus zielt die Erweiterung der Zelltherapieanlage von Takeda in Dublin darauf ab, die schnelle Bereitstellung von Behandlungen für Patienten in verschiedenen Regionen zu gewährleisten. Das irische National Institute for Bioprocessing Research and Training (NIBRT) trägt ebenfalls zum Wachstum der Branche bei, indem es fortschrittliche Schulungs- und Forschungslösungen anbietet.
Die kürzlich eingeweihte CONCEPT-Einrichtung am NIBRT soll die Lücke in der Forschungsinfrastruktur für Biopharmaunternehmen schließen und Zugang zu Instrumenten und Fachwissen bieten, um optimierte Zelllinien und biologisches Material von Interesse zu entwerfen und zu entwickeln und so die Forschung im Bereich Biologika und neuartige Therapien zu beschleunigen.
Die Rolle von Auftragsherstellungsunternehmen (CDMOs) für das Wachstum der Biopharmazie
CDMOs gewinnen zunehmend an Bedeutung, da sich die biopharmazeutische Industrie auf fortschrittliche Modalitäten wie ATMPs (Advanced Therapy Medicinal Products) verlagert. Für kleine und mittelgroße Biotech-Unternehmen ist die Zusammenarbeit mit CDMOs aufgrund der hohen Kosten und des erforderlichen Fachwissens für die eigene Herstellung oft die beste Option. Selbst große Pharmaunternehmen lagern die Produktion komplexer Therapien an CDMOs aus, um sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren.
Der weltweite CDMO-Markt für Biologika wächst schnell, mit einer prognostizierten CAGR von 16 %, die bis 2027 68 Mrd. USD erreichen wird. Die CDMOs erweitern ihre Kapazitäten durch die Übernahme von Spezial-CDMOs und Investitionen in neue Anlagen. So wird beispielsweise die Übernahme von Biovectra durch Agilent Technologies das Angebot im Bereich Gentherapie erweitern, während Wuxi Biologics eine neue Anlage in Irland errichtet hat, um globale biopharmazeutische Unternehmen zu unterstützen. Auch der deutsche CDMO Vetter expandiert mit neuen Standorten in den USA und in Deutschland, um die wachsende Nachfrage nach aseptischen Abfüll- und Fertigstellungsdienstleistungen zu befriedigen.
CDMOs, die ATMPs und andere komplexe Modalitäten anbieten, müssen bei der Auswahl von Standorten für neue Investitionen Faktoren wie die Agilität der Lieferkette, geopolitische Stabilität und die Verfügbarkeit von qualifizierten Talenten berücksichtigen. Europäische Länder mit etablierten Biotech-Clustern wie Irland, Deutschland und Schweden unterstützen aktiv neue Investitionen im biopharmazeutischen Sektor, fördern ein kollaboratives Ökosystem, schaffen industrietaugliche Talente und unterstützen F&E-Initiativen.
Vor allem Irland spielt in der globalen Biopharmabranche eine zentrale Rolle. Als drittgrößter Exporteur pharmazeutischer Produkte bietet Irland eine gut integrierte biopharmazeutische Wertschöpfungskette, von der Forschung und Entwicklung über die Herstellung bis hin zu kommerziellen Funktionen. Die qualifizierten Arbeitskräfte des Landes in Verbindung mit seinem etablierten biopharmazeutischen Ökosystem und der Unterstützung von Institutionen wie NIBRT, die Ausbildungswissen zur Überbrückung der Qualifikationslücke anbieten, machen das Land zu einem attraktiven Standort für Biopharmaunternehmen und CDMOs, die ihre Tätigkeit ausweiten möchten.
Zukunftsaussichten
Die Zukunft der biopharmazeutischen Industrie ist vielversprechend, wobei die fortgesetzte Entwicklung neuer biologischer Modalitäten das Wachstum vorantreiben dürfte. Die Komplexität von Produkten wie ADCs und CGT-Therapien stellt eine Herausforderung dar, die den Wettbewerb einschränkt und innovativen Unternehmen Chancen bietet, sich zu behaupten. Die hohen Kosten und das technische Know-how, die für die Herstellung dieser Therapien erforderlich sind, zwingen die Unternehmen jedoch dazu, ihre Produktionsstrategien sorgfältig zu überdenken und ein Gleichgewicht zwischen internen Fähigkeiten und externen Partnerschaften herzustellen.
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