(Artikel vom 30.07.2024) Von Michael Timm, Senior Director bei A&M
Wasserstoff gilt als ein zentraler Baustein für eine nachhaltigere Zukunft in Europa. Er beschleunigt die Dekarbonisierung und ist eine praktikable Alternative zu fossilen Brennstoffen. Insbesondere grüner Wasserstoff, der durch Elektrolyse mit erneuerbaren Energien gewonnen wird, ist eine Alternative für Branchen, die bisher vor größeren Herausforderungen steht, ihre Emissionen zu reduzieren. Zusätzlich entsteht mit grünem Wasserstoff ein chemischer Rohstoff, der als Energiespeicher genutzt werden kann.
Die Europäische Union (EU) hat sich ehrgeizige Ziele für erneuerbaren Wasserstoff gesetzt. Sie will bis 2030 jährlich 10 Millionen Tonnen produzieren und die gleiche Menge importieren, was Investitionen von über 100 Milliarden Euro allein in die Produktionskapazität erfordert. Die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff hat im Jahr 2022 nur 20.000 Tonnen innerhalb der EU betragen. Weniger als 1 % der weltweiten Wasserstoffproduktion und -nutzung ist heute im Einklang mit höchsten Maßstäben des Umweltschutzes.[1]
Midstream-Infrastruktur
Ein wesentliches Hindernis ist die Transportinfrastruktur. Um das volle Potenzial der Nachfrage und der anschließenden Investitionen auszuschöpfen, muss der Wasserstoff auf kosteneffiziente Weise an die Endverbraucher geliefert werden. Trotz einer wachsenden Projektpipeline haben nur 7% der angekündigten Wasserstoffkapazitäten in der EU eine endgültige Investitionsentscheidung erhalten.[2]
Ohne langfristige Abnahmeverträge haben viele Projektentwickler Schwierigkeiten Finanzierungen abzusichern. Das Zögern der Investoren hinsichtlich der künftigen Nachfrage ist nicht unbegründet. Das derzeitige Vertriebsmodell verhindert eine steigende Nachfrage und mehr Investitionssicherheit, da grüner Wasserstoff meist am selben Ort produziert und verbraucht wird. Er muss in wettbewerbsfähigem Umfang an Standorten produziert werden, an denen Strom aus erneuerbaren Energien am besten verfügbar und kostengünstig ist.
Eine Midstream-Infrastruktur spielt dafür eine entscheidende Rolle. Mit ihr kann man Angebot und Nachfrage sicher und kostengünstig aufeinander abstimmen. Pipelinenetze sind die wirtschaftlichste Option für den Transport von Wasserstoff über große Entfernungen und in großen Mengen. Mit Kosten von 0,11 bis 0,21 EUR/kg (3,3 bis 6,3 EUR/MWh) pro 1.000 km übertreffen sie den Transport per Schiff für alle angemessenen Entfernungen innerhalb Europas und in den angrenzenden Regionen.[3]
Der Transport von Wasserstoff über Pipelines ist auch wesentlich weniger komplex. Die Erzeugung großer Gasmengen in der Nähe des Verbrauchsortes ist durch die Kapazität der
Stromnetze begrenzt, so dass die Übertragung von Energie in Form von Wasserstoffmolekülen durch Pipelines kostengünstiger ist. Ein Pipelinesystem kann auch den grenzüberschreitenden Handel innerhalb der EU erleichtern und regionale Unterschiede bei Angebot und Nachfrage ausgleichen. Länder mit einem höheren Bedarf und geringen heimischen Versorgungspotenzial, wie Deutschland, können Wasserstoff importieren, um den nationalen Bedarf zu decken.
Herausforderungen und Lösungen beim Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur
Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist das geplante European Hydrogen Backbone (EHB), das von einer Gruppe von 31 Energieversorgungsunternehmen aufgebaut wird. Das Netz soll bis 2030 31.500 Kilometer umfassen und könnte die Versorgungskosten um 330 Milliarden Euro gegenüber einem lokalisierten Modell mit regionaler Versorgung und Nachfrage senken.
Auch Länder wie Deutschland und die Niederlande haben mit dem Ausbau ihrer nationalen Pipelinenetze begonnen, einschließlich grenzüberschreitender Verbindungen. Unternehmen wie Everfuel, HyCC und HH2E richten ihre Strategien an diesem Modell aus und starten groß angelegte Produktionspläne, die für den Anschluss an Pipelines optimiert sind. Dies sind positive Signale, aber es sind noch mutigere Schritte erforderlich, um den Infrastrukturstau zu durchbrechen und den Wasserstoffmarkt in Europa zu beschleunigen. Bislang gibt es noch keine Projekte zur Versorgung von grenzüberschreitenden Kunden mit grünem Wasserstoff.
Eine mögliche Lösung könnten Garantien von Regierungen und Übertragungsnetzbetreiber für die Verfügbarkeit von Pipelines und die Einhaltung von Fristen sein. Im Gegenzug würden sich Produzenten verpflichten, bestimmte Mengen und Auslastungsgrade zu liefern. Ohne solche Garantien werden sich Investitionsentscheidungen und Projektentwicklungen verzögern, bis die Pipelines gebaut und voll funktionsfähig sind - ein Prozess, der mehrere Jahre dauern kann. Derzeit werden die gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten (WACC) und andere Fixkosten für Wasserstoffproduzenten auf etwa 20 bis 30 Millionen Euro pro Jahr und 100 MW Elektrolyseurkapazität geschätzt.
Schließlich würde der im Entstehen begriffene Markt für erneuerbaren Wasserstoff von einer klaren Umsetzung der Verpflichtungen auf der Nachfrageseite profitieren, die die Wirtschaftsakteure zur Integration von erneuerbarem Wasserstoff zwingen, wie in der EU-Richtlinie über erneuerbare Energien dargelegt. Dies würde gleiche Wettbewerbsbedingungen für die EU-Produktion und Importe schaffen und zur Einführung eines EU-weiten Systems handelbarer Zertifikate beitragen, das überdurchschnittliche Leistungen belohnt und die Einhaltung der Vorschriften erleichtert.
Der Aufbau einer Infrastruktur für die großindustrielle Nutzung von grünem Wasserstoff wird viele Jahre in Anspruch nehmen, und wenn die Netto-Null-Ziele erreicht werden sollen, ist es von entscheidender Bedeutung, rechtzeitig mit der Planung zu beginnen, parallel zur wachsenden Nachfrage nach dem Gas in neuen Sektoren. Dies erfordert, dass alle Akteure der Wertschöpfungskette - politische Entscheidungsträger, Übertragungsnetzbetreiber, Entwickler und Verbraucher - zusammenkommen, um dieses fehlende Glied im Puzzle von Angebot und Nachfrage zu lösen.
Ohne die notwendige Aufmerksamkeit der politischen Entscheidungsträger für die zentrale Rolle der Midstream-Infrastruktur wird sich der Start der Wasserstoffwirtschaft massiv verzögern. Die Midstream-Infrastruktur ist unerlässlich, um kosteneffiziente Lösungen zu realisieren und die mit Investitionen in die Produktion und in nachgelagerte Bereiche verbundenen Risiken zu verringern.
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