(Artikel vom 15.03.2023) Wenn man sich die Bebauungsentwicklung innerhalb Deutschlands im Verlauf der letzten Jahrzehnte anschaut, sind versiegelte Flächen aus Stein, Beton und Stahl auf dem Vormarsch. Vor allem in den Städten sieht man viel grau und immer weniger grün. Laut Umweltbundesamt sind etwa 45 % der Fläche, die für Verkehr und Siedlung vorgesehen sind, derzeit komplett versiegelt, das heißt sie sind bebaut, betoniert, asphaltiert, gepflastert oder anderweitig befestigt.
Dass wir zu viel Fläche für Straßen und Gebäude verbrauchen und so erheblich zur Störung des Klimas beitragen, ist nicht nur Tierschützern und Umweltaktivisten ein Dorn im Auge. Auch Menschen, die sich nicht für Umwelt und Tierschutz engagieren, spüren die Nachteile, die mit der Versiegelung von Flächen einhergeht: Rekord Hitzewellen im Sommer, höhere Staubbelastung in den Innenstädten durch immer mehr Fahrzeuge und Überschwemmungsgefahr bei erhöhten Niederschlägen.
Entsiegeln lautet die Devise. Aber wo, wenn der Platz begrenzt ist?
Entsiegeln am besten schon heute
Selbst wenn man der Erhaltung der Artenvielfalt keine besondere Bedeutung beimisst, sollte die Entsiegelung unseres Lebensraumes im eigenen Interesse liegen. Sind Flächen zu stark bebaut, wird die Ableitung von Regenwasser schwierig. Die Kanalisation allein ist hier schnell überlastet, wenn sich innerhalb kurzer Zeit viel Wasser auf den Straßen sammelt. Eigentlich würde überschüssiges Wasser vom Boden aufgenommen und ins Grundwasser weitergeleitet werden. Da dies nur begrenzt möglich ist, verbleibt das Wasser auf Straßen, Wegen und kleineren Bächen, staut sich an, fließt in angrenzende Gebäude und verursacht je nach Stärke irreparable Schäden.
Da Böden kein Wasser aufnehmen können, tragen sie auch nicht zur Luftkühlung durch Verdunstung bei. Bereits bestehende Temperaturen werden nicht gesenkt und die Luft heizt sich immer weiter auf. Das wiederum führt zu Dürre und zum Absterben des noch vorhandenen Pflanzenbestandes. Ist der Boden dauerhaft von Luft und Wasser abgeschlossen, geht die vorhandene Bodenfauna zugrunde und die Neubildung von fruchtbarem Boden wird verhindert.
Daran schließt sich ein gestörter Gasaustausch in den bodennahen Luftschichten an, der zu weiteren Problemen führt. Diese Entwicklung wurde bisher eher ausgeblendet, weil die Auswirkungen nicht sofort, sondern erst nach Jahren spürbar waren. Dass der Klimawandel in einer rasanten Geschwindigkeit voranschreitet und wir die Folgen mittlerweile auch selbst erleben, sollte die Notwendigkeit für schnelle und effiziente Maßnahmen vor Augen führen.
Weiter grüner bauen
Die gute Nachricht ist, dass wir trotz zunehmender Bebauung gleichzeitig für mehr Begrünung sorgen können, indem wir unseren Blick vom Boden weg in luftigere Höhen wenden. Glaubt man dem NABU, könnte mit der Begrünung aller Dächer rund ein Drittel der versiegelten Fläche wieder der Natur zurückgegeben werden.
Mit allen Dächern ist nicht nur die Fläche auf Wohnhäusern oder Industriehallen gemeint. Darunter fallen auch kleinere Bauten, wie Carports, Haltestellen, Raucherunterstände, Mülltonnengaragen, Fahrradunterstände oder Gartenhütten. Ein Wartehäuschen an einer Bushaltestelle liefert beispielsweise gleich doppelte Vorteile, wenn man sich während der Planung oder auch nachträglich für eine Begrünung entscheidet.
Nicht nur, dass Fahrgäste, Mitarbeiter, Raucher oder Wartende, unter einem Unterstand oder eine Bushaltestelle Schutz vor Regen, Schnee und intensiver Sonneneinstrahlung suchen können, das begrünte Dach sorgt gleichzeitig für eine verbesserte Wärme- bzw. Kältedämmung. Darüber hinaus bieten flächendeckende Pflanzen Tieren einen unantastbaren Lebensraum, Nahrung und Schutz.
Dachbegrünung - Kosten versus Nutzen
Man könnte meinen, dass eine begrünte Bushaltestelle mit ihren 4 bis 6 Quadratmetern Dachfläche noch keinen kühleren Sommer macht und die Kosten für die Begrünung ein zu hoher Preis sind, den weder Bund, Länder noch Privatleute bereit sind zu bezahlen.
Je nach Hersteller, Bepflanzungsart und ausführendem Handwerker belaufen sich die Gesamtkosten für ein Gründach auf bis zu 100 EUR pro Quadratmeter. Bei einer extensiven Bepflanzung mit höheren Pflanzen, Gräsern, Stauden, Büschen oder gar Bäumen kann sich dieser Preis nahezu verdoppeln, da hier der nachträgliche Pflegeaufwand sehr viel höher ist. Das ist viel Geld für eine edelmütige Absicht, die sich auf das Wohlbefinden aller auswirkt, aber ausschließlich vom Auftraggeber bezahlt wird. Egal ob dies die öffentliche Hand oder ein Privatmensch ist.
Jeder Kostenrechnung sollte eine Nutzenanalyse gegenübergestellt werden, um ein umfassendes Bild zu erhalten und im Zweifel eine Entscheidung zu treffen, bei der die Kosten zugunsten anderer Vorteile in den Hintergrund treten. Zum einen bieten begrünte Dächer einen erhöhten Schallschutz. Das ist nicht nur für Wohnhäuser interessant, sondern auch für vielbefahrene Straßen und Wohngebiete. Wir leben in turbulenten Zeiten und viele Menschen, gerade in stark besiedelten Gebieten, wünschen sich mehr Ruhe und weniger Lärm. Eine Dachbegrünung kann, wenn sie kein Einzelfall bleibt, zum Schallschutz beitragen. Erhöhter Schallschutz bedeutet auch gleichzeitig eine bessere Wärmedämmung, was zu einer ganzjährigen Reduzierung von Heiz- und Klimatisierungskosten führt.
Wer (s)ein Dach begrünt, schont das Dach an sich, denn die Außenfläche kommt nicht direkt mit Sonne, Regen, Schnee, Eis, Feinstaub, Vogelkot oder ähnlichen abrasiven Stoffen in Kontakt. Ergo hält die Abdichtung wesentlich länger. Im Schnitt liegt die Lebensdauer eines normal geziegelten oder betonierten Daches bei regelmäßiger Pflege und Wartung 15 bis 30 Jahre. Ist das Dach dagegen begrünt, erhöht sich dieser Zeitraum auf bis zu 60 Jahre. Eine sehr verlockende Aussicht bei den noch immer sehr hohen Rohstoff- und Materialpreisen.
Ein weiterer positiver Effekt ist die Senkung der Abwassergebühren, denn ein Gründach saugt Regenwasser auf wie ein Schwamm und gibt erst dann den Überschuss ab, wenn die Aufnahmekapazität erschöpft ist. Je nach Bepflanzung können das bis zu 80 Liter Wasser pro Quadratmeter sein, was wiederum zu einer Entlastung der Kanalisation führt und das Risiko von Überschwemmungen minimiert. Darüber hinaus binden Pflanzen auf einem Gründach zuverlässig Schadstoffe aus dem Regenwasser und CO2 aus der Umgebungsluft. Ein Plus für unser aller Gesundheit, das schon heute mit schnell umsetzbaren Mitteln zu erreichen wäre.
Begrünen wird gefördert
Neben all den Vorteilen für Natur und Umwelt ist der finanzielle Aspekt ein guter Grund, sich für eine Dachbegrünung zu entscheiden. Wer sich umfassend informiert oder sich durch Fachleute beraten lässt, kann den Eigenanteil an den Baukosten erheblich verringern, denn für die Begrünung von Gebäuden und Außenanlagen existieren viele unterschiedliche Förderprogramme von Bund und Ländern, die sich teilweise auch miteinander kombinieren lassen.
Diese finanzielle Unterstützung kann entweder aus nicht zurückzuzahlenden Zuschüssen oder zinsgünstigen Darlehen bestehen. Ob nun von der KfW auf Bundesebene, von Banken auf Landesebene oder als indirekte Förderung durch die Reduzierung von Gebühren und Abgaben durch Städte und Kommunen. Am Ende ist das Gründach keine kostenintensive Investition, sondern bringt nachweisbar so viel Kostenersparnis mit sich, dass man von einem finanziellen Gewinn sprechen kann.
Wandel fängt im Kleinen an
Viele Gründe sprechen dafür, ab sofort für jedes Bauvorhaben, egal ob privat und gewerblich, eine Begrünung der Dachfläche einzuplanen. In einigen Städten, wie beispielsweise in Dresden, wird für neue Bauvorhaben erst dann eine Genehmigung erteilt, wenn die Dachbegrünung ein fest eingeplanter Bestandteil ist. Das mag für Bauherren ein Ärgernis sein, ist auf lange Sicht allerdings ein vernünftiger Schritt, um klimaneutral zu bauen.
Allein die Begrünung von kleineren Gebäuden und Unterständen würde innerhalb kurzer Zeit einen großen Unterschied machen. So gibt es in Deutschland derzeit etwa 200.000 Bushaltestellen Unterstände - Tendenz steigend. Diese zu begrünen, ob nachträglich oder auch während der Bauphase, würde der Natur über eine Millionen Quadratmeter Grünfläche zurückgeben. Das wäre weit mehr als nur ein kleiner Anfang.
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